Quo vadis Protestkultur? – Studie zu Bürgerprotesten in Deutschland

Quo vadis Protestkultur? – Studie zu Bürgerprotesten in Deutschland

Sie sind allgegenwärtig und doch wissen wir wenig über sie: Proteste. Kaum eine Tageszeitung ohne einen Bericht über Demonstrationen, kaum eine Tagesschausendung ohne Bilder von Menschen, die auf die Barrikaden gehen. Stuttgart 21, Anti-Atomkraft-Demonstrationen, Aufstände gegen die geplante Stromtrasse – Proteste sind alltäglich, im Großen und im Kleinen. Was bewegt Menschen, auf die Straße zu gehen? Wer ist überhaupt aktiv? Wie organisieren sie sich? Und wie lauten ihre Wünsche?

Eine Studie des Göttinger Instituts für Demokratieforschung gibt erste Antworten auf diese Fragen. Hierzu wurden bundesweit verschiedenste Demonstrationen beobachtet, Aktivisten vor Ort interviewt und Gruppendiskussionen geführt.

Die wichtigsten Befunde im Überblick:

  • Wer sich engagiert, hat viel Zeit:
    Hausmänner, Teilzeitangestellte, Freiberufler, Vorruheständler, Schüler und Lehrer sind unter den Demonstranten am häufigsten vertreten. Der Protest geht damit vom Milieu der Kinderlosen aus.
  • Männer dominieren die Protestlandschaft:
    Zwei Drittel der Aktivisten sind männlich. Bei Initiativen im Bildungs- und Schulbereich sind dagegen rund 75 Prozent Frauen aktiv.
  • Bürger protestieren gegen Bürger:
    Menschen mit hohem Bildungsabschluss, geregeltem, zumeist hohem Einkommen, die sozial gut vernetzt sind, protestieren am häufigsten. Über 50 Prozent haben studiert oder promoviert.
  • Bürgerproteste sind Angelegenheiten der Konfessionslosen:
    Über die Hälfte der Protestierenden gehört keiner Kirche an. Vor allem Katholiken gehen auf Abstand.
  • Deutschland wird als „Scheindemokratie“ wahrgenommen:
    Die wenigsten sehen die bundesdeutsche Gesellschaft als echte Demokratie. Wird über Parteien und Politik gesprochen, zeigt sich oftmals Hohn und Verachtung unter den Aktivisten.

Es herrscht tiefes Misstrauen bei gleichzeitiger Ratlosigkeit:
Begriffe wie Volksentscheide, Basisdemokratie oder Direktwahlen werden stichwortartig genannt, die Leidenschaft fehlt allerdings häufig. Der Wunsch nach charismatischen, mutigen Politikern ist daher stark ausgeprägt.

Generell sind die Bürger also motiviert, ideenreich und gewillt – der Staat kann von dieser politischen Partizipation profitieren. Gleichzeitig verkompliziert die Bürgerbeteiligung politische Entscheidungsprozesse und produziert Langwierigkeit. Ansprüche an rasches und effektives Handeln der Politik steigen an.