Die Kunst der bewegenden Bilder – DOK.fest-Leiter über Tempo, Trend und Temperament im Dokumentarfilm
25 Jahre Jubiläum, 72 Filme und fast 12.000 Besucher allein in diesem Jahr – Daniel Sponsel, neuer künstlerischer Leiter, ist zufrieden mit „seinem“ 25. Internationalen Dokumentarfilmfestival München (DOK.fest). Wohin geht der Trend beim Dokumentarfilm, wo liegen die Gemeinsamkeiten mit Produkten der Kommunikationsbranche? Diese und ähnliche Fragen hat Daniel Sponsel exklusiv für &-inspire, den Fortbildungsclub von heller & partner, beantwortet.
Von Blini-Bäckerinnen bis Bühnenspektakel, von Krieg bis Korallenriff – das Themenspektrum des diesjährigen DOK.fests ist kunterbunt. Wohin geht der Trend beim Dokumentarfilm?
Daniel Sponsel: Der Dokumentarfilm entwickelt sich weg vom rein aufklärerischen Duktus hin zu einem Medium, das launiger und schneller ist. Er hat sich mit der Gesellschaftsstruktur verändert, ist kontroverser und vielfältiger geworden. Viele Filme, wie zum Beispiel „Unsere Erde“, haben Eventcharakter für die ganze Familie. Der Dokumentarfilm ist im Kino angekommen – eine positive Entwicklung.
Ganz großes Kino sind oft auch Imagefilme für Unternehmen. Was hat ein guter Dokumentarfilm mit einem erstklassigen Imagefilm gemeinsam?
Nicht viel – außer vielleicht formelle und technische Aspekte. Die Aufgabenstellung ist einfach eine andere. Der Dokumentarfilm soll Neugier auf Menschen wecken. Dazu gehört immer auch die Darstellung von Konflikten. Diese wiederum kann ein Imagefilm nicht gebrauchen.
Präsentiert der Dokumentarfilm außer Konflikten nicht auch Schönheit und Harmonie – etwa bei Natur- oder Musikfilmen?
Ja, er zeigt durchaus auch die schöne Welt, aber immer auch mit kritischen Momenten. Das gehört zu konstruktiver Information eben dazu – und auch zu filmischer Erzählkunst. Aus 90 Minuten reiner Schönheit entsteht keine Erzählung. Und keine Spannung.
Sagen Sie hiermit, ein Imagefilm könne niemals spannend sein?
Doch, natürlich haben gute Imagefilme auch Spannungsbögen. Aber mit geringerer Fallhöhe.
Apropos Spannung: Beschreiben Sie uns doch bitte kurz die beste Dokumentarfilm-Szene, die Sie je gesehen haben.
Es gibt für mich sicher etliche beste Szenen. Spontan fällt mir die Exposition des Films LA ISLA ein, der in diesem Jahr bei uns einen Preis gewonnen hat: Eine virtuose Kamerafahrt und Montage von Polizeidokumenten aus dem Bürgerkrieg in Guatemala. Der kurze Blick in diese vorbeiziehenden Gesichter mit dem Wissen um die grausame Geschichte hat eine emotionale Intensität, wie sie meiner Meinung nach in keinem fiktionalen Film möglich ist.
Aber die Begriffe, die Sie vorhin erwähnt haben – Konflikt, Erzählkunst, Spannungsbogen – das klingt doch sehr nach der Dramaturgie eines Spielfilms. Ist ein Dokumentarfilm nicht etwas völlig anderes?
Nicht unbedingt. Fiktion und Dokumentation können durchaus dieselbe Intention verfolgen. Es ist wie in der Literatur: Wollen Sie eine Novelle schreiben oder einen Roman? Das ist eine reine Formfrage. Die Intention aber kann dieselbe sein.
Trotzdem bleibt der Dokumentarfilm das Spielfeld für Fakten. Wie viel Raum bleibt da noch für Fantasie?
Was Zahlen und Fakten betrifft: wenig. Wenn es aber um die Menschen geht, kommt die Fantasie voll zum Zug. Denn jeder Mensch repräsentiert seine persönliche Wahrheit.
Jetzt haben wir eine Vorstellung davon, was einen guten Dokumentarfilm ausmacht. Was halten Sie in diesem Zusammenhang von den Dokus in ARD und ZDF?
Im Großen und Ganzen sehr viel, denn viele Filme, die auf dem DOK.fest laufen, entstehen durch die Kooperation mit TV-Sendern. Das Fernsehen ist ein wichtiger Partner, es produziert die Filme und zeigt sie. Im manchen Fällen können diese Filme auf unserem Festival die Premiere feiern. Wovon wir uns aber klar distanzieren, sind Reality-Formate. Das ist ein reiner Ausverkauf sogenannter Wirklichkeit und hat die Bezeichnung „Dokumentarfilm“ nicht verdient.
Social Media sind derzeit in aller Munde. Sind sie auch bereits Thema im internationalen Dokumentarfilm?
Mir ist kein Film aufgefallen, in dem Social Media prägnant im Mittelpunkt stehen. Wir selbst allerdings haben erstmals Facebook für das DOK.fest genutzt und berichten außerdem in unserem DOK.blog.
Damit sind Sie ja mittendrin im Geschehen. Wenn Sie an die großen Marken denken – BMW, Coca-Cola, Google – mit welcher Marke würden Sie das DOK.fest am ehesten vergleichen?
Mit Basic. Weil man dorthin geht, wenn man Qualität will. Und eine bewusste Auswahl trifft.
Herr Sponsel, vielen Dank für das Gespräch!