Die Bürger sind wahlmüde – bei keiner Wahl scheint diese Behauptung mehr zu stimmen als bei den Wahlen zum europäischen Parlament. Zwischen dem 22. und 25. Mai haben europaweit lediglich 43 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben, rund genauso viele wie 2009.
Auch wenn es in der öffentlichen Meinung in vielerlei Hinsicht oft diskreditiert wird, ist das EU-Parlament diejenige Institution, die in den vergangen Jahren einen starken Aufschwung in politischer Bedeutung und Demokratisierung erlebt hat. Seit der ersten Direktwahl 1979 hat das Parlament sein politisches Gewicht mit jeder Wahl ausbauen können. Und ausnahmslos jede Änderung der europäischen Verträge hat zu mehr Kompetenzen und Befugnissen geführt. Aber trotzdem: Das Interesse der Menschen an europaweiten Wahlen bewegt sich auf einem konstant niederen Niveau.
Dabei könnte man eigentlich davon ausgehen, dass nach der schmerzhaften Wirtschafts- und Finanzkrise in vielen Mitgliedsländern der Union sowie der globalen Herausforderungen europäische Politik im Zentrum des öffentlichen Interesses steht. Das Gegenteil ist der Fall. En Vogue sind Skepsis zur europäischen Integration und Misstrauen gegenüber den Institutionen in Brüssel und Straßburg.
Die Wahl von 2014 wird aber vor allem in die Geschichte eingehen, weil es zum ersten Mal bereits vor der Wahl „Kandidaten“ für das Amt des Kommissionspräsidenten gegeben hat. Jean-Claude Juncker ist als Kandidat der christdemokratischen Parteifamilien klarer Sieger geworden. Natürlich obliegt es weiterhin dem Europäischen Rat, den Kommissionspräsidenten zu nominieren. Noch wurde nicht darüber entschieden.
Jede Wahl, die aber nicht Juncker heißt, muss jedoch als grobes Faul gegenüber den Wählern gesehen werden. Und dazu führen, dass die EU und die Wahlen zum Parlament noch mehr an Unterstützung seitens der Bürger verlieren. 43 Prozent sollten als Warnung bereits deutlich genug sein – oder sollen in Zukunft noch weitere Tiefpunkte erreicht werden?