Großprojekte in der Kritik – zu Recht?

Großprojekte in der Kritik – zu Recht?

Hauptgeschäftsführer RA Michael Knipper 18.08.2011

Große öffentliche Infrastrutkurprojekte sehen sich in Deutschland seit Jahren heftiger Kritik ausgesetzt – nicht erst seit den Protesten gegen Stuttgart 21 oder der Hängepartie um den neuen Flughafen Berlin-Brandenburg. Neben den Vorwürfen wegen massiver Bauzeitverlängerungen und erheblicher Preissteigerungen wird in der Öffentlichkeit zuletzt auch immer wieder die Frage gestellt, ob die deutsche Wirtschaft überhaupt noch in der Lage ist, große Projekte erfolgreich umzusetzen.

Auch wenn zurzeit in den Medien ein anderer Eindruck erweckt wird: Auch in Deutschland gibt es nach wie vor viele positive Beispiele für eine gelungene Umsetzung von Großprojekten. Aktuell konnte in Düsseldorf der erste Tunnelabschnitt des ambitionierten Kö-Bogen Projekts neun Monate vor dem geplanten Termin unter Einhaltung des Kostenrahmens eröffnet werden.

Auch die ÖPP-Verkehrsprojekte A8 in Bayern, A4 in Thüringen und A1 in Niedersachsen sind eindrucksvolle Beispiele dafür, dass Großprojekte weder in der Zeit noch in den Kosten „aus dem Ruder“ laufen müssen. Mit anderen Worten: Die deutsche Bauwirtschaft ist weiterhin in der Lage, große Projekte zu realisieren. Umso wichtiger ist es, bei den aufgetretenen Problemen sorgfältig die Ursachen und Verantwortlichkeiten zu beleuchten.

Dabei sollte man sich zunächst darüber im Klaren sein, dass die Bauwirtschaft – im Gegensatz zur stationären Industrie – Prototypen produziert. Das bedeutet: Ein jahrelanges Justieren der Produktionsabläufe und Testläufe – wie in der stationären Industrie üblich – gibt es am Bau nicht. Zudem kann es gerade bei komplexen Großprojekten zu Überschreitungen der Bauzeit und des Baubudgets kommen, die unvermeidbar sind, z. B. aufgrund von unkalkulierbaren Baugrundrisiken, unerwartet stark steigenden Rohstoffpreisen oder schlechter Witterung.

Trotzdem könnten viele Überschreitungen durch bessere Projektvorbereitung sowie sorgfältiges und kompetentes Projektmanagement und Projektcontrolling vermieden werden. Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie hat deshalb Vorschläge entwickelt, wie Überschreitungen von Bauzeiten vermieden und Baubudgets eingehalten werden können.

Ein vielversprechender Ansatz wäre es beispielsweise, auf Generalunternehmervergabe statt Fach- und Teillosvergabe zu setzen, wenn die Projektmanagementkompetenz auf Auftraggeberseite begrenzt ist. Erfahrungsgemäß verfügen größere Bauunternehmen über mehr Expertise und Erfahrung bei der Koordinierung einer großen Zahl von ineinandergreifenden Gewerken als ein öffentlicher Auftgraggeber.

Bereits bestehende Präqualifikationsverfahren könnten neben der Prüfung von Fachkunde und Zuverlässigkeit auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der ausführenden Unternehmen in Augenschein nehmen. In vielen Fällen haben sich öffentlich-private Partnerschaften bewährt, um die Projektabwicklung zu beschleunigen und ein Höchstmaß an „Kostensicherheit“ zu gewährleisten. Um Planung und Bauausführung besser aufeinander abstimmen zu können, könnten die überaus positiven Erfahrungen aus der privaten Wirtschaft auf öffentliche Bauvorhaben übertragen werden.

Bei diesen Partnering-Modellen hat sich eindrucksvoll erwiesen, dass die größten zeitlichen wie finanziellen Einsparpotentiale durch eine möglichst frühzeitige Einbeziehung der bauausführenden Unternehmen bereits im Stadium der Entwurfsplanung realisiert werden können.

Voraussetzung dafür, dass diese Vorschläge in der Baupraxis „greifen“, ist aber, dass gleichzeitig die „Kultur des Gegeneinanders“, wie sie sich in Zeiten der Baukrise zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer herausgebildet hat, überwunden wird. Viel wäre schon gewonnen, wenn es gelänge, Probleme auf der Baustelle oder in außergerichtlichen Schlichtungsverfahren zu lösen, statt sofort den Rechtsweg zu beschreiten. Wir müssen weg von dieser „Unkultur“, die dadurch gekennzeichnet ist, dass die Unterschrift unter den Bauvertrag nicht selten als „gegenseitige Kriegerklärung“ verstanden wird.

Mit anderen Worten: Es muss wieder eine „Kultur des Vertrauens“ entwickelt werden – zwischen Auftraggebern, Planern, Hauptauftragnehmern und Nachunternehmern.