Kunst mit PS

Kunst mit PS

Das Automobil ist eine ganz besondere Kunstform: Es ist bildende Kunst, Aktionskunst, Tonkunst und manchmal auch großes Kino in einem – und lebt wie kaum eine andere Kunstform von der Interaktion mit dem Rezipienten. Wer am Fahrzeug auch die Form liebt, für den lohnt sich ein Besuch der Münchner Pinakothek der Moderne. Wie sich Fahrzeugdesign seit der Entdeckung der Stromlinienform in den 1930er-Jahren weiterentwickelt hat und warum das Auto so manchem als schöner erschien als ein antikes Kunstwerk, das lässt sich in all seiner Faszination in der Ausstellung „Fahrzeugdesign“ in der Pinakothek der Moderne erleben. Großartige Automobile und prächtige Motorräder stecken als Meilensteine den Weg industrieller Designkunst seit den 30er-Jahren ab. Der heller & partner Fortbildungsclub &-inspire hat die Ausstellung besucht und war begeistert.

Die Entdeckung der Stromlinienform
Schon seit Erfindung der ersten Kraftfahrzeuge ab 1885 war die Welt im Geschwindigkeitsrausch. Der bekam noch mal ordentlich Schub, als die Entdeckung der Stromlinienform einen Wandel im Automobildesign auslöste. Zuvor wurde das Auto praktisch um Motor und Fahrgestell herum gebaut. Und was hatte Mobilitätsdesign Ende des 19. Jahrhunderts schon für Vorbilder – außer Kutschen und Droschken? In den 30er-Jahren wurde das anders: Neueste Erkenntnisse aus der Luftfahrt übertrugen die Ingenieure in den Automobilbau. Die Stromlinienform war geboren und prägte fortan das Automobildesign. Nun diente die Karosserieform als Ausgangspunkt des Entwurfs – alles andere war ihr untergeordnet. Mit der Stromlinienform nahm das Symbol für Tempo Gestalt an.

Ein Pionier der Stromlinienform war Paul Jaray. Schon 1921 hatte er ein Patent für eine aerodynamische Karosserie angemeldet: die Front abgerundet, das Heck spitz zulaufend, sodass das Ganze im Profil einem fallenden Tropfen glich – bis heute das Grundprinzip des Automobildesigns. In den 30er-Jahren gelangen auf Basis seiner Patente die großen Würfe: der „Adler Autobahn“, der/das „Steyr Baby“ und vor allem: der „Tatra 87“.

Toller Hecht im Karpfenteich: Tatra 87
Ein lang gezogenes Heck mit markanter Rückenflosse – so etwas hatte es vor 1937 noch nicht gegeben, und noch heute wirkt das von Hans Ledwinka konstruierte Automobil mit der verhältnismäßig kurzen Fronthaube überaus imposant. Auch in puncto Dynamik brauchte er sich nicht zu verstecken: Bis zu 160 km/h brachte der Tatra 87 auf den Tacho, sehr beachtlich für die damalige Zeit. Wen wundert es da, dass sogar Erfolgsschriftsteller John Steinbeck von der Faszination dieses Automobils angezogen wurde? Kein Wunder, dass die Tatra-Nachfolgemodelle zu sozialistischen Zeiten den Funktionären als Staatskarossen dienten.

Von Adler bis Göttin: Ikonen des Automobildesigns
Neben dem Tatra sind noch einige weitere Paradebeispiele des Automobildesigns zu sehen: Der Adler 2,5 Liter „Autobahn“ von Karl Jenschke, der „österreichische Volkswagen“ Steyr Baby oder auch die wegweisende „Göttin“ Citroen DS 21 und einige Motorräder – unter anderem ein Konzeptmodell der BMW R 1200 GS, die in diesem Jahr 30-jähriges Jubiläum feiert. Dazu zeigt eine Filminstallation von BMW den künstlerischen Prozess des Automobildesigns und ein BMW Marmorrelief macht Design emotional sinnlich erfahrbar – hier ist Berühren erlaubt, sogar erwünscht!

Wer diese Ausstellung im Untergeschoss der Barer Straße 40 gesehen hat, der wird vielleicht dem Futuristen Filippo Marinetti zustimmen, der schon 1909 in seinem futuristischen Manifest behauptete: „Ein Rennwagen ist schöner als die Nike von Samothrake.“